Das marine Leben ist voll von Aberglaube, Sagen und Ammenmärchen. Von gefangenen Riesenfischen zu Monsterkraken gibt es alles. Daher haben viele Seeleute ihre Bräuche und Glücksbringer. Von uns Dreien ist keiner abergläubisch oder widmet sich tiefer der Spiritualität. Es stört uns nicht, in der 13. Reihe zu sitzen und ebenso war es uns lange egal, Poseidon, Gott des Meeres, zu besänftigen.
Viele Seefahrer halten es für fahrlässig, zu Beginn eines Törns, nicht mit Poseidon und einem Glas Alkohol (meistens Whiskey) anzustossen. Bei vielen ändert sich diese Meinung, sobald einmal eine längere Zeit unter harten Bedingungen, gesegelt wurde. Bei uns war dies die Überfahrt während einem Ausbildungstörn über den Ärmelkanal von den "Iles Ouessant" in der Bretagne zu den "Isle of Scilly" in England.
Die gut 100 Seemeilen (180 km) dauerten 20h und wurden mit einer Nachtfahrt geplant. Wir erwarteten 30kn (54km/h) Wind mit Böen bis zu 35kn, 2.5m Wellen und einen Kurs von ca. 55 Grad am Wind. Letzteres bedeutet viel Krängung (Schräglage) und noch stärkeren relativen Wind. Was hier beschrieben ist, ist noch lange kein Sturm, eher raue See, im Ärmelkanal nichts Spezielles. Wenn es einem da draussen erstmals mulmig wird, wünscht man sich plötzlich den Schutz jeglicher griechischen Götter von Poseidon über Zeus bis Ikarus. So haben auch wir, in unseren ersten Tagen auf See, mit Poseidon angestossen. Um ganz sicher zu gehen, hat jeder seine eigenen kleinen Glücksbringer. So hoffen wir, dass es Poseidon gut mit uns meint und unsere kleinen Begleiter Edelweiss, Chef Brouette und Harrison uns sicher ans andere Ende der Welt bringen.
Die letzten Tage waren geprägt von viel Zeit auf See mit Wind von allen Richtungen und auch mal ohne Wind. Wir gingen mit Jaleo erstmals an die Grenzen und segelten ohne Ref (verkleinerte Segelfläche), also mit den ganzen 120m2 Segelfläche, bei >15kn (>27km/h) hart am Wind. Bei diesem Kurs erfährt die Segelyacht die grössten Kräfte und die grösste Krängung, optimale Testbedingungen.
Als wäre dies nicht genug Anspannung, erhielten wir plötzlich mitten in der Nacht Besuch. Unser Steuermann bereitete sich gerade für eine Wende vor, checkte nochmal die Navigationsinstrumente und kontrollierte visuell in die Nacht hinaus. Als die 110 Grad Kursänderung vollzogen waren, erklang plötzlich ein starker Motor in unsere neue Fahrtrichtung und man erkennt vage Konturen. Das wäre dann Kollisionskurs! Da eine Wende ziemlich schüttelt, wurden eh schon alle aus dem Tiefschlaf gerissen, als dann auch noch die Frage durchs Schiff halte "gseht dä mi", waren wir zügig zu dritt an Deck. Mittlerweile hat uns unser Besucher mit Scheinwerfern und Maschinengewehren begrüsst. Immerhin war schnell klar, dass es sich um die Spanische Küstenwache handelt und nicht um Piraten oder andere Schelme. Nach einigen Fragen, wer und wie viele wir sind, Abfahrtshafen und Zielhafen, kamen wir mit dem Schock davon.
Mittlerweile sitzen wir im Hafen von Gibraltar. Wir sind noch auf der spanischen Seite und der Weg nach Gibraltar Stadt führt über die spanische und englische Landesgrenze. Drüben angekommen befindet man sich gleich mal am Flughafen welcher hier, wenn gerade kein Flugzeug kommt, eine Strasse kreuzt. Wir queren also die Landebahn und befinden uns direkt am Stadtrand. Auffallend ist ein Fussballplatz am Rande der Landebahn, eingezäunt wie ein Käfig, damit auch ja keine Bälle rüber fliegen. Irgendwie fühlt sich das ganze surreal an.
Wir freuen uns nun auf die Stadt und werden etwas enttäuscht. Vieles ist heruntergekommen und ungepflegt. Man merkt, dass Platz Mangelware ist. Da Sonntagabend, sind viele Restaurants geschlossen und die Stadt teils ziemlich leer. Ein weiteres Indiz für den englischen Boden, wir befinden uns also definitiv nicht mehr im "Vida Loca"-Spanien in welchem die Bars auch Sonntags offen und voll sind. So zumindest, wurde es uns erzählt (-;
Wir haben uns entschieden, nur kurz in Gibraltar zu bleiben um die nötigen Arbeiten zu erledigen. Danach wollen wir die viel befahrene Strasse von Gibraltar passieren und uns den Weg in den Atlantik öffnen. Zwischenziel ist dabei Tanger, eine Marokkanische Stadt mit spanischem Einfluss. Wir sind gespannt auf 1001 Nacht und hoffen auf problemloses Einklarieren und Anmelden in Marokko.
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