Ahoi Seeleute, der Atlantik ist geschafft!
Müde und gezeichnet aber voller Stolz und Dankbarkeit, erreichen wir nach 22 Tagen und 12 Stunden die Rodney Bay in St. Lucia. Der Atlantik war hart und hat uns und unserem Jaleo viel abverlangt. Crew und Schiff benötigen beide etwas Ruhe und Pflege. Dementsprechend locker gehen wir den Ankunftstag an. Zuerst gibt es die bereits traditionelle Hafenrunde. Wo kriegen wir ein frisches Bier, wer hilft uns bei Defekten und versorgt uns mit Ersatzteilen, wer ist gerade sonst noch im Hafen? Danach sofort einklarieren, auch per Segelschiff muss man einreisen, auch wenn es bisher etwas lockerer als an Flughäfen zu und her geht. Der Papierkram geht ziemlich rasch und unkompliziert.
Danach geht es ab zur Mall, wir versuchen sofort das wichtigste Gut aufzutreiben: Internet.
Ohne Internet organisierst du keine Reparaturen, du planst keine Ausflüge und informierst dich nur schwierig über die Kultur des eben erreichten Landes (Natürlich könnte man sich vorher mit Reiseführer eindecken). Zudem sehnte sich jeder nach Kontakt in die Heimat.
Da leider die SIM-Karten Abo und deren Verbindungsqualität nicht so sind, wie wir uns das vorgestellt hatten, verbringen wir etliche Stunden vorne im Hafen, irgendwo am Boden oder auf einem Stein sitzend, um im Hafen-WLAN zu surfen. Die Internetverbindung ist leider unzuverlässig und langsam.
Wir entscheiden uns nach Recherche und Brainstorming, dass Elon Musks Starlink ein Muss für jeden Fahrtensegler ist. Sobald wir eine Lieferadresse in Tobago (Starlink liefert auf nur sehr wenige Karibik-Inseln) finden, bestellen wir die nötige Hardware.
Erste karibische Eindrücke
In Seglerforen liest man eher Schlechtes über St. Lucia. Teuer und gefährlich, alles nicht fest montierte an Deck wird gestohlen und bewaffnete Raubüberfälle seien keine Seltenheit.
Na gut, die Insel ist echt sauteuer. Im Restaurant sind die Preise mit der Schweiz vergleichbar. Im Supermarkt wirds dann krass. Die billigste Milch fanden wir für 2.5 CHF/l und 1Kg Joghurt für 8chf. Äpfel kosten ungefähr 8 CHF das Kg. Viel Gemüse wird von Taiwan importiert. Lokal gibt es Fisch, Fleisch, Bananen, Kokosnüsse sowie Hanf, letzteres wird auf der Insel offenbar in Massen angebaut.
Und die Kriminalität? Dieses Vorurteil können wir nicht bestätigen. Wir wurden von den Inselbewohnern sehr freundlich und interessiert behandelt (viel angenehmer als in Spanien). Die Leute in der Bootswerft waren äusserst Hilfsbereit und nahmen sich Zeit für uns.
Die Karibische Lebenslust spürt man draussen auf der Strasse. In einfachen Imbissbuden wird gekocht und von irgendwo her dröhnt immer Musik. Der Karibische Slang der englischsprechenden Bevölkerung macht Laune und ist sehr locker. So wird man gerne Mal mit "Darling" oder "Sweety" angesprochen. Die typischen Rasta-Leute verwenden "Yeah man" und "Whats up". Wir amüsieren uns daran und fühlen uns wohl.
5 Tage St. Lucia
Nach einem ersten Erholungstag und tiefem Schlaf, machen wir uns direkt daran, anstehende Reparaturen zu organisieren. Wo können wir das Schiff auskranen? Wie kommen wir an Ersatzteile und wie repariert man überhaupt ein Ruder und ein GFK-Bug?
Nach 3 Tagen Teile suchen und Recherche, finden wir am Freitag Zeit, den Small Piton zu besteigen. Zusammen mit dem Big Piton, finden sich die zwei knapp 1'000m hohen, sehr spitzigen Hügel auch in der Landesflagge von St. Lucia wieder. Sogar das auf der Insel gebraute Bier trägt den Namen Piton.
Nach langer Busfahrt und einem Taxi befinden wir uns am Fuss des Berges und werden mit 40 USD pro Person Eintritt kräftig zur Kasse gebeten. Wir lassen uns die Freude nicht nehmen und machen uns auf en abenteuerlichen Weg zwischen Wandern und Klettern. Die Kletterpartien sind dabei mit Seilen ausgestattet, an welchen man sich hochziehen muss. Der Weg ist sehr schön, wir geniessen es im Wald zu sein und werden mit atemberaubenden Ausblicken belohnt. Oben geniessen wir die Pause, den Rundumblick und stärken uns mit Sandwich. Das Brot schmeckt hier besser als in Spanien.
Die Busse sind hier ganz witzig organisiert. Es gibt diverse Linien zwischen den grösseren Städten. An den Endstationen fahren die Fahrzeuge erst los, wenn alle 12 Plätze belegt sind. Hat es jemand eilig, kann man für die leeren Sitzplätze bezahlen und der Bus fährt früher. Unterwegs gibt es einige Haltestellen, jedoch reicht ein "stop it please driver" um irgendwo aus zu steigen und winkend am Strassenrand wird man auch mitgenommen. Die Busse sind hier das bisher einzig preiswerte.
Am Freitag Abend geniessen wir die "Friday Night Street Party". Die Ortschaft Gros Islet, in Gehdistanz vom Hafen, putzt sich heraus und bietet Streetfood und Musik vom feinsten. Einheimische und Touristen sind mengenmässig ausgeglichen. Es erinnert ein wenig an die Khaosan Road in Bangkok, nur ist hier alles viel kleiner und spielt sich ausschliesslich draussen auf der Strasse ab. Es wird gegessen und getanzt bis tief in die Nacht.
Weiterfahrt nach Bequia
St. Lucia hat nicht allzu viel zu bieten und wir haben einen heissen Tipp erhalten. Der Südafrikaner Roux lebt seit Jahren in der Karibik auf einem Segelschiff. Nach Kontaktaufnahme werden wir unkompliziert auf ein Treffen in Bequia eingeladen. Die Überfahrt dauert zu lange um innerhalb eines Tageslichtes abzufahren und anzukommen. Bei Dunkelheit an unbekannten Orten anzukommen ist nicht empfehlenswert und folglich gibt es eine Nachtfahrt. Eigentlich keine grosse Sache, es ist nicht viel Wind gemeldet. Die Inseln können jedoch etwas tückisch sein. So ändern sich Windrichtung und -stärke mit dem Verlauf der Inseln und gerne werden auch mal die Wellen grösser. Wind und Strömung drücken die Wassermassen um die Landmassen. Und doch schaffen wir es mal wieder einen Herz-in-die-Hose-Moment zu generieren. Es kam alles zusammen: ausgeschaltete AIS-Alarme, unaufmerksame Besatzung, ausgeschaltetes Funk und schlechte Navigationslichter des eben kurz mal vorne durch fahrenden Tankers. Ganz recht, der Tanker hat uns wirklich fast gerammt! Distanzen sind auf See schwierig einzuschätzen, jedoch war es definitiv zu Nahe und wir glauben, der Kapitän hatte blaue Augen.
Da Schiffe unter Segel Vortritt haben, bleibt nur die Hoffnung, dass der Tanker uns sehr wohl gesehen hat. Ansonsten müssten wir von purem Glück reden..
Folgend einige Begegnungen aus 10 Tagen Bequia, Ankerbucht Port Elizabeth.
Südafrikaner Roux
Roux gebührt einen besonderen Platz in diesem Blog. Er war der Grund, warum wir zur wunderschönen Ankerbucht in Bequia segelten. Zudem nahm sich Roux ohne Aussicht auf eine Gegenleistung gerne Zeit, uns die Ankerbucht und die "Karibik für Segler" zu erklären. Roux ist in der Apartheit von Südafrika aufgewachsen und wir durften durch seine Erlebnisse einiges darüber lernen. Wir sind etwas überrascht, wie locker und ohne Verurteilung er darüber spricht. Wir erklären es uns damit, dass einem Grundprägungen der Kindheit halt einfach als normal und daher auch richtig eingebrannt werden. Keiner von uns würde Roux heute als Rassisten bezeichnen. Wir hören viele Räubergeschichten aus seiner langen Zeit auf See, von manövrierunfähigem Treiben zwischen zwei Stürmen und Mastbruch ist alles dabei. Dieser Mann hat in seinem Leben schon einige krassen Situationen miterlebt. So diente er für Südafrika im Krieg und Gefahr hat für ihn nach vielen Jahren in diesem Land sowieso einen anderen Stellenwert. Anders können wir uns die Lockerheit gegenüber den Seenotfällen nicht erklären. Dadurch wird uns auch aufgeführt, wie weich unser Leben in der sicheren Schweiz ist.
Roux ist mit seiner Frau bereits die 6. Saison in der Karibik und hält sich mit Charterausflügen auf seiner Segelyacht finanziell über Wasser.
Ein toller Mensch mit viel Humor und Lebenserfahrung.
Sullivan und Morgan
Die beiden Westschweizer, geschätzt Anfang 30, sind ein Paar und absolute Abenteurer. Klettern, Kiten, Surfen, Tauchen und Segeln sind die Hobbies, welche wir gerade herausgehört haben. Im Nachhinein hätten wir nach einer kompletten Liste fragen sollen. Entweder schätzen wir sie zu alt ein oder es ist ein Mythos, dass der Körper ab 30 beginnt abzubauen. Wie sonst, sind die beiden so voller Energie. Die beiden sattelten in der Schweiz die Touring-Fahrräder und radelten nach Portugal. Dort übernahmen sie die Segelyacht von Morgans Eltern und machten kurz mal eben den Atlantik. Das Boot werden sie bald wieder an ihre Eltern übergeben und suchen aktuell noch nach einer Überfahrt Karibik-Kolumbien um danach wieder mit den Velos durch Südamerika zu reisen. Entweder von Nord nach Süd bis es ihnen zu kalt wird oder aber Plan B von Ushuaia ganz im Süden Argentiniens Richtung Norden. Einfach verrückt die beiden!
Übrigens haben sie uns als kleines Geschenk ein Fertig-Fondue aufs Boot gebracht. Die Schweizer Weltsegler machen ihrem Fondue-Vorurteil alle Ehre.
Jackie
Jackie, den Name haben wir ihm gegeben weil sein Lieblingswhiskey Jack Daniels ist, lebt alleine auf seinem Katamaran "Music & Lyrics". Oben auf Deck sitzend mit langen Haaren und Gitarre ein echter Hingucker in der Bucht. Wir versuchen uns zu nähern und erhoffen ein kleines Ständchen auf der Gitarre. Irgendwie werden wir jedoch nicht so warm und uns lässt der Eindruck nicht los, dass Jackie trotz allein nicht immer ganz allein ist. Als während unserem Gespräch ein anderes Boot unweit von Jackie möchte, beginnt dieser wild zu bellen und verscheucht die Neuankömmlinge vehement. Wir, etwas eingeschüchtert, suchen daraufhin das Weite. Jackie sprang eh bereits in sein eigenes Dinghy und fuhr davon. Immerhin wiederholt sich dieses Schauspiel in den folgenden Tagen und da Jackie unser Schiff duldet, profitieren wir auch von seiner vehementen Verteidigung des Schwojen-Umkreis.
Wir wünschen Jackie alles Gute und hoffen, dass wir uns täuschen und der Mann munter und zufrieden ist.
Michael und Nicole
Da unsere Schiffsnachbaren eine Schweizer Flagge hissen, zögern wir nicht lange und schwimmen kurz Mal vorbei. Wie es sich für Segler gehört, ist Michael gerade am Schiffsunterhalt (Motorenservice), was ihn und Nicole jedoch nicht davon ablässt, uns zum Kaffee einzuladen. Wir dürfen ein sehr aufgestelltes Paar kennen lernen, welches das Wort "Problem" nicht zu kennen scheint. Mit grosser Lockerheit und Humor werden einige seglerische Erfahrungen ausgetauscht und es macht uns den Eindruck, dass Michaels Lachen exponentiell mit der Gefahr der Situation zunimmt. Wir amüsieren uns daran und nehmen uns vor, auch etwas lockerer zu werden. Nicole und Michael teilen sich das Hobby Gleitschirm Fliegen und haben sich dieses mit der Eröffnung einer Ausbildungsschule zum Beruf gemacht. Die beiden sind aktive Menschen und auch an Bord mit Gleitschirmen ausgestattet. Zudem sind wir sehr neidisch auf ihre Tauchausrüstung.
Das Gespräch nimmt seinen Lauf und ein weiteres Schweizer Boot fährt in die Bucht, es sind Peter und Irene und Segelfreunde von Michael und Nicole. Die beiden haben sich vor einem Jahr auf den Kanaren kennen gelernt. Sehr zu unserer Freude haben Michael und Nicole ein Fondue an Bord und sind bereit, dieses am Weihnachtsabend mit uns zu teilen. Peter und Irene kommen auch dazu und mit der Schweizer Runde kommt eine zu Weihnachten passende vertraute Stimmung auf. Wir reden über unsere Projekte und natürlich viel übers Segeln.
Übrigens haben Nicole und Michael noch einiges vor. Die beiden wollen bald durch den Panamakanal und danach auf Hawaii und Alaska!
Peter und Irene
Frisch pensioniert entdecken die beiden jung gebliebenen mit ihrem Segelschiff die Welt. Kennen gelernt haben sich die beiden erst vor wenigen Jahren und sind seit 5 Jahren ein Paar. Scheint es daher so, als wären die beiden frisch verliebt oder gibt es ein anderes Geheimnis? Die beiden geniessen zusammen den Ozean, Peter als langjähriger Segler und Irene wäre im nächsten Leben wahrscheinlich Meeresbiologin, so nach eigener Aussage.
SaltyBrothersSailing
Unsere deutschen Freunde Robert, Nico und Steph mit dem fast identischen Projekt wie das unsere, sind nicht ganz planmässig auch in Bequia gelandet. Den Atlantik haben sie mit Bravour gemeistert und passten das Ziel wegen einer grossflächigen Flaute dem Wetter an. So gab es ein verfrühtes Wiedersehen, nachdem wir uns noch auf Las Palmas (Gran Canaria) auf unbestimmte Zeit verabschiedet haben. Wir schätzen den Austausch mit ihnen sehr, man hilft sich gegenseitig und ist füreinander da. Es tut gut, auf der manchmal fremden Welt, vertraute Gesichter zu sehen.
Ruben
Beim Tauchausflug am zweiten Tag kommen wir mit einem in Zürich lebenden Holländer ins Gespräch. Wir dachten zuerst, die Verbindung zur Schweiz sei ein Zufall, doch dann kam es ganz dick. Er fragte uns nach unserem Schiff, er sei selber Segler, jedoch noch in der Ausbildung zum Skipper. Wir erzählen vom Kauf unserer Beneteau First 47.7 in Barcelona als der Typ plötzlich zu schmunzeln beginnt. Was denn der Name des Schiffes sei. "Yes, Jaleo" antworten wir etwas erstaunt als er den Namen immer wieder repetierte. Ob wir denn Javier auch kennen, den Voreigner des Bootes. Da klingelte es und uns wurde klar, dass der Typ vom Tauchausflug doch tatsächlich unser Boot kennt! Er hatte 4 oder 5 Mal an einem Charterausflug auf Jaleo im Mittelmeer teilgenommen. Wir genossen die Erzählungen und es freute uns, wieder ein Stück mehr über die Geschichte von Jaleo Primero zu erfahren.
Jaleo Primero wurde im Jahr 2000 auf Mallorca ausgeliefert und wurde einige Jahre als Regattaschiff verwendet. Daher auch die sehr performante Ausführung der Beneteau First. Jaleo nahm einige Male an der Copa del Rey in Mallorca (wichtige Regatta im Mittelmeer) teil und erreichte offenbar sogar einen Podestplatz in seiner Kategorie. Als der damalige Besitzer hörte, das 3 Typen sein altes Schiff grundlegend umbauen und grosse Pläne damit haben, kam er bei Gelegenheit vorbei und wir durften ihn kennen lernen.
Danach gibt es ein unbekanntes Kapitel, wir wissen nur, dass Jaleo in dieser Zeit bereits einmal den Atlantik für eine Saison Karibik überquerte und danach wieder zurück nach Europa gesegelt wurde.
Bereits kamen unsere Voreigner, Pablo und Javier. Sie betrieben in Barcelona eine Segelschule und boten im Sommer geführte Charterreisen im Mittelmeer an. Leider waren die beiden nicht fähig, dass anspruchsvolle Schiff entsprechend zu warten und gemäss Hafengeflüster gab es auch finanzielle Nöte.
Als das Schiff kurz vor dem Ende Stand und zwei Spanier ihre Segelschule in den Abgrund wirtschafteten, kamen drei Schweizer mit grossen Träumen und wenig Plan und kauften das zerkratzte Juwel. Nach viel Politur und zu hohem finanziellem Einsatz schaffte Jaleo Primero nun erneut den mühseligen Gang über den Atlantik. Bleiben wir gespannt, was die Zukunft bringt.
Bequia, karibisches Inselparadies
Die Feiertage in der Karibik haben wir in vollen Zügen genossen. Die Erforschung der Unterwasserwelt mit Flaschen- und Apnötauchen stand da ganz oben. Wir schafften es sogar mit der Harpune Lobster zu fangen und genossen die darauf folgende Haut-Cuisine auf dem Schiff. Eine kleine Wanderung auf den Mount Peggy Peak und ein Museumsbesuch (Bequia Heritage) versprachen gute Abwechslung zum wassernahen Leben. Die Tage gingen wir ruhig an und verlängerten gerne mal die Kaffeepause und das Apero am späteren Nachmittag. Die tollen oben erwähnten Begegnungen waren bereichernd und inspirierend.
Sogar das Sonnenverdeck wurde erstmalig gespannt und der Cockpit Tisch aufgestellt, wodurch unsere Rennziege ganz behutsam und gemütlich wurde.
So lässt es sich leben.
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